Bildhauer in Oberursel – Kunst auf offener Straße

Bildhauer in Oberursel
Kunst auf offener Straße
VON JÜRGEN STREICHER
Nikolai Karlychanow wirbelt mächtig Staub auf. Kein Wunder, er arbeitet an einer Frauengestalt. Vom Mondlicht getroffen – so die Idee des Künstlers – wird die Schöne, die er aus einem Block weißen Carrara-Marmor haut, fräst und bei den Feinarbeiten streichelt. Im hellen Sonnenlicht leuchtet die Mondfrau zwischen den vom Marmorstaub gepuderten Bäumen im Rushmoor-Park. Zwischen Feldbergschule und Christuskirche formt Karlychanow aus der russischen Partnerstadt Lomonossow seit zehn Tagen seine Frau.
Der Mann aus Russland gibt dem ersten Oberurseler Bildhauersymposium „Stadtzeichen“ das Weltläufige in einem Konzept, das ansonsten bei der Premiere auf lokalen Geist angelegt ist. Der enge Bezug zu Oberursel war ein Auswahlkriterium bei der Zusammenstellung der Bildhauer, die das Symposium gestalten. Der Titel „Stadtzeichen“ gibt ein bisschen die Richtung vor: Die Auseinandersetzung der Künstler mit ihrer Stadt soll in der Folge die Kunst im öffentlichen Raum beleben und vor allem das Volk anregen, sich mit ihr zu beschäftigen.
Kunst mit Steinen, Holz und Stahl ist Arbeit. Unterm Dach eines ergrauten weißen Partyzeltes werkelt Christine Jasmin Nie-derndorfer unter Pressluft mit dem Spitzeisen an ihrer Stadtpatronin St. Ursula aus moderner Sicht. Ohrenschützer, Schutzbrille, Kopftuch trägt sie wie Nikolai Karlychanow das Piratentuch, den Mundschutz und eine Klarsichtbrille beim maschinellen Fräsen an seiner Mondlichtdame. Die Augen geschlossen, fühlt man sich je nach Sensibilität in den Ohren wie beim Zahnarzt oder beim Straßenbau.
Es hört sich nach Arbeit an, es riecht danach – durch den Abrieb der bearbeiteten Steine, erhitztes Metall, ausgestochenes Holz. Aus mehreren Bohlen Weißeiche formt Karl-Heinz Sehr seine „Energetischen Ströme“, wie er seine Holzskulptur nennt, zu der ihn der Urselbach, die Taunusluft und das Vergehen der Mühlen in Oberursel inspiriert haben. Die akribische Vorbereitung mit Planzeichnungen und Modellen hat er dokumentiert, Besucher können sich so noch intensiver mit der Kunst beschäftigen. „So verschwätzt“ hat er sich da einmal, dass er fast einen entscheidenden Fehler gemacht hätte. Auf der falschen Seite hat er angefangen, das Holz zu bearbeiten.
Und, kommen denn die Kunstinteressierten? Sind die Oberurseler für die Bildhauerkunst zu begeistern? Unbedingt. Sehr zufrieden mit der Resonanz sind alle Künstler. „Das ist klasse“, sagt Christine Jasmin Niederndorfer.
Manche Besucher kämen gar jeden jeden Tag, „um zu sehen, wie sich meine Ursula entwickelt“. Die meisten Bildhauer haben in den vergangenen Tagen weit über die Kernzeit von 10 bis 18 Uhr hinaus gearbeitet, um nach den vielen – unbedingt gewollten – Unterbrechungen durch Gespräche mit ihrem Werk voran zu kommen.
Am Dienstag sollen sie ja fertig sein die „Stadtzeichen“. Bei der Finissage um 16 Uhr in der Open-Air-Werkstatt will Kurator Martin Schmidt sie vorstellen.
Danach werden die Werke sechs Wochen bis Ende August im Rushmoor-Park zu sehen sein, mit blauer Farbe sind die vorgesehenen Standorte bereits markiert. Die Ursula von Christine Jasmin Niederndorfer etwa wird so stehen, „dass sie die St. Ursula-Kirche zwischen Ästen hindurch sehen kann“. Nach den sechs Wochen sollen ein Publikums- und ein Jurypreis vergeben werden.
Copyright © FR-online.de 2009
Dokument erstellt am 20.07.2009 um 18:06:47 Uhr
Letzte Änderung am 20.07.2009 um 19:42:47 Uhr
Erscheinungsdatum 20.07.2009
VON JÜRGEN STREICHER
Nikolai Karlychanow wirbelt mächtig Staub auf. Kein Wunder, er arbeitet an einer Frauengestalt. Vom Mondlicht getroffen – so die Idee des Künstlers – wird die Schöne, die er aus einem Block weißen Carrara-Marmor haut, fräst und bei den Feinarbeiten streichelt. Im hellen Sonnenlicht leuchtet die Mondfrau zwischen den vom Marmorstaub gepuderten Bäumen im Rushmoor-Park. Zwischen Feldbergschule und Christuskirche formt Karlychanow aus der russischen Partnerstadt Lomonossow seit zehn Tagen seine Frau.
Der Mann aus Russland gibt dem ersten Oberurseler Bildhauersymposium „Stadtzeichen“ das Weltläufige in einem Konzept, das ansonsten bei der Premiere auf lokalen Geist angelegt ist. Der enge Bezug zu Oberursel war ein Auswahlkriterium bei der Zusammenstellung der Bildhauer, die das Symposium gestalten. Der Titel „Stadtzeichen“ gibt ein bisschen die Richtung vor: Die Auseinandersetzung der Künstler mit ihrer Stadt soll in der Folge die Kunst im öffentlichen Raum beleben und vor allem das Volk anregen, sich mit ihr zu beschäftigen.
Kunst mit Steinen, Holz und Stahl ist Arbeit. Unterm Dach eines ergrauten weißen Partyzeltes werkelt Christine Jasmin Nie-derndorfer unter Pressluft mit dem Spitzeisen an ihrer Stadtpatronin St. Ursula aus moderner Sicht. Ohrenschützer, Schutzbrille, Kopftuch trägt sie wie Nikolai Karlychanow das Piratentuch, den Mundschutz und eine Klarsichtbrille beim maschinellen Fräsen an seiner Mondlichtdame. Die Augen geschlossen, fühlt man sich je nach Sensibilität in den Ohren wie beim Zahnarzt oder beim Straßenbau.
Es hört sich nach Arbeit an, es riecht danach – durch den Abrieb der bearbeiteten Steine, erhitztes Metall, ausgestochenes Holz. Aus mehreren Bohlen Weißeiche formt Karl-Heinz Sehr seine „Energetischen Ströme“, wie er seine Holzskulptur nennt, zu der ihn der Urselbach, die Taunusluft und das Vergehen der Mühlen in Oberursel inspiriert haben. Die akribische Vorbereitung mit Planzeichnungen und Modellen hat er dokumentiert, Besucher können sich so noch intensiver mit der Kunst beschäftigen. „So verschwätzt“ hat er sich da einmal, dass er fast einen entscheidenden Fehler gemacht hätte. Auf der falschen Seite hat er angefangen, das Holz zu bearbeiten.
Und, kommen denn die Kunstinteressierten? Sind die Oberurseler für die Bildhauerkunst zu begeistern? Unbedingt. Sehr zufrieden mit der Resonanz sind alle Künstler. „Das ist klasse“, sagt Christine Jasmin Niederndorfer.
Manche Besucher kämen gar jeden jeden Tag, „um zu sehen, wie sich meine Ursula entwickelt“. Die meisten Bildhauer haben in den vergangenen Tagen weit über die Kernzeit von 10 bis 18 Uhr hinaus gearbeitet, um nach den vielen – unbedingt gewollten – Unterbrechungen durch Gespräche mit ihrem Werk voran zu kommen.
Am Dienstag sollen sie ja fertig sein die „Stadtzeichen“. Bei der Finissage um 16 Uhr in der Open-Air-Werkstatt will Kurator Martin Schmidt sie vorstellen.
Danach werden die Werke sechs Wochen bis Ende August im Rushmoor-Park zu sehen sein, mit blauer Farbe sind die vorgesehenen Standorte bereits markiert. Die Ursula von Christine Jasmin Niederndorfer etwa wird so stehen, „dass sie die St. Ursula-Kirche zwischen Ästen hindurch sehen kann“. Nach den sechs Wochen sollen ein Publikums- und ein Jurypreis vergeben werden.
Copyright © FR-online.de 2009
Dokument erstellt am 20.07.2009 um 18:06:47 Uhr
Letzte Änderung am 20.07.2009 um 19:42:47 Uhr
Erscheinungsdatum 20.07.2009
URL: http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/bad_homburg/?em_cnt=1844194&em_loc=1711

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